Eine traurige Realität, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft ein Tabuthema ist. Die geleistete Arbeit von Pflegekräften hat einen unschätzbaren Wert. Dennoch bleibt die Gewalt, die dem Personal entgegengebracht wird, häufig im Verborgenen. Es sind beunruhigende Erkenntnisse, die nicht nur unterschätzt, sondern auch nicht wirklich ernst genommen werden. Daher ist es höchste Zeit, den offenen Umgang mit dieser Angelegenheit zu stärken und wirksame Präventionsmöglichkeiten sowie Schutzkonzepte zu entwickeln. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen und werden allgemeine Tipps sowie Lösungsansätze vorstellen. Die Sicherheit und das Wohlbefinden von Pflegekräften muss jederzeit gewährleistet sein!

Bereits vor einiger Zeit haben wir darüber berichtet, wie viele Pflegekräfte in deren beruflichen Alltag Gewalt erleben müssen. Dabei wurden Ergebnisse von mehreren Befragungen herbeigezogen. Den Artikel dazu findest du hier – „Gewalt gegenüber Pflegekräften – zum Beitrag„.

Das Verhältnis zwischen einer Pflegekraft und der betreuten Person ist als „besonders“ zu beschreiben. Es ist eine Herausforderung, eine angemessene Reaktion auf bestimmte Situationen zu finden. Deeskalierende Kommunikation ist wichtig, sollten Grenzen überschritten werden. Keineswegs sollte Gewalt verschwiegen, ignoriert, schöngeredet oder bloß hingenommen werden. Ist Kommunikation nicht möglich, sind praktische Lösungen essenziell.

Droht beispielsweise eine Eskalation der Situation, so sollte das Zimmer, zumindest für einen kurzen Moment, verlassen werden. Ein Mittel, um die richtigen Maßnahmen zu erlernen, sind u.a. Präventionstrainings.

Was können Arbeitgeber/Einrichtungen tun?

Bei den Schutzmaßnahmen, die der jeweilige Arbeitgeber bzw. die Einrichtung erbringen kann, wird zwischen drei Varianten unterschieden.

1. Technische Schutzmaßnahmen

  • Fluchtmöglichkeiten, Rückzugsräume, bessere Beleuchtung, vermeiden von gefährlichen Gegenständen, Notsignal-Geräte

2. Organisatorische Schutzmaßnahmen

  • Alarmierungssystem(e), Notfallpläne, Rettungsketten, Handlungsmöglichkeiten bei Deeskalation, Fachkonzepte bei der Betreuung spezieller Personen

3. Personenbezogene Schutzmaßnahmen

  • Abwehr und Befreiungstechniken, deeskalierendes Verhalten im Allgemeinen

Die 5 Deeskalationsstufen

Die Deeskalation nimmt bei Konfliktsituationen eine bedeutsame Rolle ein. Um das professionelle Deeskalationsmanagement greifbarer und nachvollziehbarer zu machen, werden die fünf Deeskalationsstufen vorgestellt.

1. Verhinderung und Minimierung aggressionsauslösender Reize

Äußere Einflüsse, organisatorische Probleme oder emotionale Reaktionen können den Verlust der Impulskontrolle herbeiführen. Dieses „Routineverhalten“ bzw. zu wenig Schulung in der Kommunikation können Reize auslösen, die eine Eskalation begründen. Folgende Verhaltensweisen können der auslösende Faktor sein:

  • Fehlende Begrüßung, kein Blickkontakt

  • Mangelnde Wertschätzung während des Gespräches

  • Unterhaltungen mit Kollegen

  • Gelangweilte oder abwertende Gesten

  • Unkenntnis, falsche Behauptungen

  • Nicht begründete Maßnahmen

  • Nichtwürdigung der Intimsphäre

2. Wahrnehmung, Interpretation und Bewertung von erregten Verhaltensmustern

Die jeweiligen Positionen der Beteiligten trägt einen nicht unwichtigen Teil zur sozialen Interaktion bei. Die Machtverhältnisse werden individuell wahrgenommen. Es können u.a. Angst, Wut und Ärger die Folge akuter Stresssituationen sein und zu aggressiven Verhalten oder gar Übergriffen führen. Den Machtverhältnissen steht die Machtlosigkeit gegenüber. Forderungen von Bewohner*innen können vom Personal nicht umgesetzt werden. Dies kann wiederum in einer Hilflosigkeit enden. Aber auch Androhungen jeder Art gegenüber den Mitarbeiter*innen seitens der Bewohner*innen oder deren Angehörigen kann zu Frust, Ärger, Wut oder Angst beim Personal führen.

Die Situation wird durch den Mix verschiedener Umstände verschärft. Auf der einen Seite soll das Personal stets freundlich, hilfsbereit und verständnisvoll im Umgang sein. Auf der anderen Seite soll dies auch in einem schnellen Tempo und kompetent umgesetzt werden. Durch diese mangelhaften Arbeitsumstände reichen bereits minimale verbale Entgleisungen der Bewohner*innen, um ein erhöhtes Aggressionspotenzial des Pflegepersonals auszulösen. Kommen nun noch angespannte Angehörige hinzu, so herrscht eine sehr spannungsgeladene Atmosphäre.

Die beschriebenen unterschiedlichen subjektiven Wahrnehmungen der Konfliktparteien können als „Kreislauf der Eskalation“ beschrieben werden.

3. Verständnis der Ursachen aggressiver Verhaltensweisen

Es ist wichtig, die unterschiedlichen Ursachen der aggressionsauslösenden Faktoren zu verstehen. Mögliche Gründe, die zu einem aggressiven Verhalten bei pflegebedürftigen Personen und dem Personal führen:

  • Hilflosigkeit

  • Scham

  • Verzweiflung

  • unzureichende Beschäftigung

  • Bewegungsmangel

  • psychische Erkrankungen

  • Überforderung

4. Verbale Deeskalation in Eskalationssituationen

Die Anspannung der Betroffenen machen sich durch verbale oder nonverbale Signale (z.B. Schimpfen, Aufstampfen, Brüllen, Tür knallen etc.) bemerkbar. Je eher die Anzeichen von Angst, Verzweiflung oder Wut eines Menschen erkannt werden, desto früher kann eine verbale Deeskalation zum Erfolg führen. Es ist von Bedeutung, die aggressive Stimmung zu mildern, da in einer emotionsbedingten Situation eine sachliche Argumentationsbasis erschwert wird. Nach einer erfolgreichen Deeskalation sind klärende Gespräche sinnvoller.

5. Sicherheitshinweise und Abwehrtechniken bei Angriffen

Eine Deeskalation ist nicht ungefährlich, da ein Kontrollverlust nicht ausgeschlossen ist. Die Sicherheit am Arbeitsplatz hat einen hohen Stellenwert und sollte zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein. Bahnt sich eine Eigengefährdung an, sollte sich ein*e pflichtbewusste*r Mitarbeiter*in in Sicherheit bringen.

Folgende Sicherheitsmaßnahmen können hilfreich sein:

  • Den Raum unverzüglich zu verlassen (bei akuter Gefahr) und gegebenenfalls die Polizei verständigen

  • Körperliche Auseinandersetzungen vermeiden

  • Bei im Vorfeld bekannten potenziellen Problemsituationen -> Unterstützung durch Kolleg*innen, Vereinbarung von Nothilfesignalen

  • Handlungsempfehlungen und Dienstanweisungen einhalten (z.B. Alarmsysteme nutzen)

  • Gegenstände wie beispielsweise Papierscheren oder Glasflaschen aus möglicher Reichweite entfernen

  • Fluchtmöglichkeit zum Ausgang oder zur Tür frei lassen, damit der Weg nicht versperrt werden kann

  • Bei einer bedrohlichen Situation nicht sitzen bleiben: Aufstehen, sich mit festem Stand positionieren und im Notfall schnell reagieren

  • Bei angespannten Situationen einen Sicherheitsabstand von ca. zwei Metern einhalten, um schnellstmöglich fliehen zu können

  • Zum Eigenschutz bei einem Übergriff: Hände vor den Körper nehmen, um das Gesicht schützen zu können

Das Ziel sollte stets die gewaltfreie Kommunikation sein. Unter keinen Umständen dürfen sich die Beschäftigten im Stich gelassen fühlen. Schutzkonzepte bzw. Präventionsmaßnahmen müssen weitestgehend und bestmöglich umgesetzt werden. Nur mit einem bewussten und offenen Umgang können gewaltpotenzielle Konfrontationen minimiert werden.