Nächstenliebe? Katholische Soziallehre? Nichts da! Das gerade Caritas, der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche, den bundesweit geltenden Tarifvertrag für die Altenpflege ablehnt, lässt tief blicken. Mit ihrer Entscheidung werfen sie die bisherigen Bemühungen, die Arbeit in der Pflege nachhaltig aufzuwerten, um und stoßen auf heftige Kritik – nicht nur von den Tarifvertragsparteien. Hier ein Auszug von Twitter:

Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, reagiert auf Entscheidung der Caritas gegen einen Pflegetarifvertrag:

Caritas, Deutschlands größter Wohlfahrtsverband hat entschieden: die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des, von ver.di und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BVAP), ausgehandelten Tarifvertrags für die Altenpflege wird abgelehnt. Dadurch steigt der Mindestlohn in der Altenpflege doch nicht wie erhofft um 25%.

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, wo Pflegekräfte unter extremen Bedingungen außerordentliche Arbeit leisten, und ihre sowie die Gesundheit ihrer Familien riskieren, ist dies ein Schlag ins Gesicht. Zudem sei dies ein schlechtes Signal für all diejenigen, die man in diesen Berufen halten und in Zukunft dafür begeistern möchte, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

Hintergrund

Nach monatelangen intensiven Verhandlungen hatten sich die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BVAP) und ver.di auf den endgültigen Inhalt des Tarifvertrags über Mindestbedingungen in der Altenpflege geeinigt. Dieser sollte nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zum 1. August 2021 für die gesamte Branche in Kraft treten. Ziel war, die Mindestentgelte in der Altenpflege für alle Pflegebeschäftigten, im Vergleich zum aktuellen Pflegemindestlohn, schrittweise zu steigern. Ab dem 1. Juni 2023 hätte es dann, zum Beispiel für eine examinierte Pflegefachperson eine Lohnuntergrenze von 18,75€ gegeben.

Neben den Tarifvertragsparteien müssen laut Gesetz die Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Diakonie und Caritas dem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeitserklärung zustimmen, bevor der Bundesarbeitsminister ihn auf die gesamte Branche erstrecken kann.

Caritas Stellungnahme

Die Caritas hatte schon vor der Sitzung zur Abstimmung, auf nachteilige Folgen einer Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags von BVAP und ver.di hingewiesen. Norbert Altmann, Sprecher der Dienstgeberseite betonte: „(Der Tarifvertrag löse) nicht die Frage der Finanzierung“.

Viele der Beschäftigten in der Pflege verdienen aktuell weniger als im Vertrag festgelegt. Die Anwendung des Tarifvertrags würde demnach 2 Milliarden Euro kosten – bisher sei noch keine Finanzierung dafür vorgesehen. Voraussichtlich müssten also die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen, welche sich keine höheren Eigenanteile leisten können, dafür aufkommen.

Zudem befürchtet die Caritas, dass das Vergütungsniveau eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags zur Norm wird – und ihre Einrichtungen die eigenen höheren Löhne von der Pflegeversicherung nicht refinanziert bekommen.

Mehr zu den Hintergründen der Entscheidung in der Pressemitteilung.

Scharfe Kritik

„Das ist ein bitterer Tag für die Beschäftigten in der Pflege“ (…) „Damit ist heute die große Chance vertan worden, die Arbeit in der Pflege nachhaltig aufzuwerten.“

Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied

Auch ver.di kritisiert die Ablehnung des Tarifvertrags für die Altenpflege durch die Caritas: „Die Caritas handelt mit dieser Entscheidung in krassem Widerspruch zu ihren eigenen sonstigen Aussagen und Werten, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bedeutung sozialer Dienste geht. Das ist mehr als scheinheilig. Die Arbeitgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission kommt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, für bundesweit bessere Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu sorgen, nicht nach. Das ist ein schlimmes Signal für die Beschäftigten in der Altenpflege“, so Sylvia Bühler, ver.di-Bundesvorstandsmitglied.

Während die Ideologen unter den kirchlichen Arbeitgebern sich als Gewinner feiern, stehen rund 1,2 Millionen Beschäftigte in der Altenpflege auf der Seite der Verlierer.

„Ideologie schlägt Humanität, das ist ein trauriger Tag für die Altenpflege. Die Beschäftigten leisten gerade auch in der Corona-Krise Außerordentliches. Jetzt müssen sie konstatieren: Nach dem Klatschen kommt die Klatsche.“

Sylvia Bühler, ver.di-Bundesvorstandsmitglied